Vor ca. zwei Wochen ging das anarchistische Sommercamp 2016 in Österreich zu Ende. Es war mehr Sommer als anarchistisch. Die Orga-Gruppe ist, bezugnehmend auf den Aufruf, dazu angetreten, eine Woche lang „die Anarchie“ zu leben. Ganz nach dem Motto „Vivir la Utopia!“. Es wurde angekündigt, dass die Orga-Gruppe sich um die grundlegende Infrastruktur kümmern werde. Das es alles nötige geben wird, was das anarchistische Herz begehrt. Nun ja, es gab so einiges. Das Camp fand auf einem Party-Bauernhof (wenn ich das richtig interpretiert habe) statt. Es gab große Wiesen zum Campen, sogar mit Schatten. Eine KüFa war organisiert, Unisex- und FLTI*-Toiletten, eine (kalte) Naturdusche, aber auch eine warme. Was mich sogar ziemlich überrascht hat: Es gab Laptops, einen Drucker und freies WLAN auf dem ganzen Gelände. Da hätte ich mir gar keine SIM-Karte auf dem Weg kaufen brauchen.
Alles andere…naja
Was den ganzen Rest angeht: Es war halt eine Woche Urlaub. Wer genau das erwartet hat, wurde sicherlich nicht enttäuscht. Für Leute, die tatsächlich ein politisches Camp erwartet hatten (wie ich), war es wohl eine ziemliche Enttäuschung. Ich für meinen Teil war jedenfalls sehr enttäuscht. Angefangen beim Programm. Es wurde, wie angekündigt, „flexibel“ organisiert. Online konnten sich Leute im Vorfeld melden und Workshops/Seminare/Vorträge/Whatever anmelden. Diese wurden dann in einem Online-Programm gelistet. Als ich auf dem Camp ankam war davon keine Rede mehr. Die Holztafeln, an denen das jeweile Tagesprogramm aushing, waren leer. Eigentlich hatte ich erwartet, dass das Online-Programm dort aushängt. Umhängen wäre dann ja immer noch möglich gewesen. Aber so frage ich mich, weswegen dann eigentlich im Vorfeld nach Programm-Punkten gefragt wurde.
Grundsätzlich ist meine komplette Kritik, schon an dieser Stelle, auf den Knackpunkt „Kommunikation“ zurückzuführen. Jene fand nämlich, in meinen Augen, zu wenig statt. Zwar gab es Info-Tafeln, an denen die Listen für die verschiedenen Schichten (Spülen, Küchenhilfe, Putzen, etc.) oder Mitfahr-Angebote und -Gesuche hingen. Aber ich fühlte mich einfach nicht informiert. Auch hatte ich nicht den Eindruck, das andere Teilnehmer_innen auf dem Camp sonderlich viel Interesse an Informationen hatten.
Ich zuckte ja auch zusammen, als ich ein Schild sah, auf dem stand (sinngemäß):
»Bitte gehe auch auf Leute zu und sprich sie an. So können wir auch schüchterne Leute integrieren.«
Was soll so ein Mist?! Ich würde mich jetzt nicht unbedingt als Schüchtern oder so bezeichnen. Aber ich grenze mich sehr gerne von Leuten ab. Wenn ich z.B. beim Essen sitze und jemand fragt »Ist das noch frei?« antworte ich ehrlich. Wenn die Person mich dann aber versucht in ein Gespräch zu verwickeln, antworte ich erstmal kurz. In der Hoffnung, die Person lässt es dann sein. Und wenn nicht, antworte ich einfach gar nicht mehr oder gehe sogar weg. Und dann hat mir diese Person die nächsten zwei-drei Stunden versaut. Also: Solche Schilder sind vielleicht nett gemeint, aber totale Scheiße.
Was mir aber vor allem fehlte, war ein tägliches Plenum. Ok, am Dienstag oder so fing ein kleines „Info-Plenum“ an. Aber trotzdem fehlte mir was. Und zwar Information. Information über Workshops. Vielleicht ist es einfach nur meine Gewohnheit von anderen Camps. Bisher konnte ich di:en Teamer_in eines Workshops, der mich interessierte, immer ansprechen und mal ein paar Sachen fragen. Auf dem ACamp war das schlicht nicht möglich. Wenn ich es auf den Programm-Zettel geschrieben hätte, hätte ich vermutlich dennoch keine Antwort bekommen. Und mich bei 20 Leuten durchzufragen »Weißt du wer diesen Workshop macht?« hatte ich erst recht keinen Bock. Auf anderen Camps stellten sich Teamer_innen am Abend des Vortags kurz vor und erzählten zwei-drei Sätze zu ihrem Workshop. Wenn dann noch Fragen waren, konnten die (während oder nach dem Plenum) geklärt werden.
Ach ja, die Programm-„Zettel“. Das waren wohl eher „Fetzen“. In der Regel hingen diese ziemlich durcheinander an der Programm-Tafel. Überwiegend in unleserlicher/schwer zu lesender Handschrift verfasst. Und fast immer fehlte Zeit und/oder Ort. Bei den meisten Zetteln dachte ich mir nur »Aja, da ist wem also alles egal. Danke für Nichts!«. Das diese Zettel zum Teil auch eher nicht beachtet wurden, zeigt folgende Begebenheit:
Ich sitze im Haus in der Laptopecke mit meinem Laptop und bereite die Präsentation für meinen Vortrag vor. Eine Person sitzt neben mir, ebenfalls am eigenen Laptop.
Person: *guckt auf meinen Bildschirm* *tippt mich an* »Kann ich fragen, was du da machst?«
Ich: *nehm die Kopfhörer ab* »Äh ja, klar. Ich bereite meinen Vortrag zu Datensicherheit und Verschlüsselung vor.«
Person: »Ach, du machst einen Vortrag dazu?! Das ist ja gut. Sowas hatte mir hier gefehlt und deswegen hatte ich vorhin angefangen, was vorzubereiten. Aber wenn du das machst, dann muss ich mich da ja nicht drum kümmern.«
Zu diesem Zeitpunkt hing meine gut leserliche und, wie ich finde, informative Ankündigung bereits seit zwei Tagen an der Programm-Tafel.
Ok, das ist jetzt ein sehr konkretes Beispiel und diese Situation werden vermutlich nur sehr wenige Andere erlebt haben. Dennoch wollte ich es anbringen. Als eine Art Beispiel-Beispiel für das, was die Menschen auf dem ACamp nach meiner Ansicht tatsächlich gemacht haben:
Sie sind zu einem Sommercamp gefahren und hab es sich in ihrer Bubble gut gehen lassen. Fertig!
Verbessungsvorschläge
Don’t do it again! Oder wenn: Kündigt nicht an, das ihr irgendetwas ausprobieren wollt. Denn ausprobiert wurde auf dem ACamp rein gar nichts.
Mein ganz persönliches Fazit:
Ja ja, dieser ganze Text ist schon persönlich. Trotzdem hier nochmal ein ganz persönliches Fazit.
Ich hatte eine nette Woche auf dem ACamp. Es war warm und sonnig (manchmal zu viel von beidem) und es gab Internet. Aber es war auch das erste Camp, auf dem ich nicht das Gefühl hatte, mich nützlich machen zu müssen (was ich schlecht finde, denn ich mache mich eigentlich gerne nützlich). Denn vorallem wusste ich einfach nicht, wo Hilfe gebraucht wird (immer nur in der Küche helfen, ist auch nicht cool). Aber ich habe auch niemanden kennengelernt. Was eigentlich nicht Schade ist, aber es hätte mich doch sehr interessiert, was andere Menschen denken. Und ich für meinen Teil konnte mich exakt so auf dem ACamp verhalten, wie ich es auch in meinem Alltag mache. Ausprobiert wurde deswegen aus meiner Sicht rein gar nichts. Es war wie ein Festival. Nur, das es Workshops statt Musik gab. Ein bisschen froh bin ich ja dann doch darüber, das ich nicht eine betrunkene Person gesehen habe, obwohl Alkohol verkauft wurde. Ok, das liegt vermutlich daran, das ich recht früh schlafen gegangen bin. Dennoch ein positiver Aspekt.
Andere Kritiken:
Ein kurzer Sommer der Anarchie – oder: Wie meine Brüste zum ersten Mal das Sonnenlicht sahen
Eine Reise ohne Rückfahrtschein
Ach ja, mal kurz zu meinem Anarchie-Begriff
Ich werde niemals in einer Anarchie leben können. Ebenso kann niemals ein Mensch, der vor Beginn einer Anarchie aufgewachsen ist und gelebt hat, in einer Anarchie leben. Denn „Anarchie“ bedeutet für mich vor allem einen Neuanfang hinzulegen. Das Konstrukt „Menschheit“ komplett zu zerstören und die „alte Welt“(etwas pathetisch, ich weiß) im Fundament zu vernichten. Alles andere ist für mich nur Reformismus. Deswegen kann „Anarchie“ zwar in der heutigen Gesellschaft ausprobiert werden. Aber auch nur bedingt um erste Erkenntnisse zu sammeln. Was dann allerdings auch nicht heißt, das in einer Anarchie auch so gelebt wird wie es ausprobiert wurde. Das bleibt dann denen überlassen, die in einer Anarchie leben. Und das einzige, was ich tun kann, ist, die heutige Welt zu zerlegen und denen, die in eine „Zeit danach“ hineingeboren werden, einige wenige Ansichten (wie z.B. Solidarität, Respekt, Kooperation) mitzugeben.