Flagge bei der Hand

Noch läuft die Fußball-Europameisterschaft der Männer. Viele Mannschaften, darunter die ‚deutsche Nationalelf'[1], sind bereits rausgeflogen. Nachdem am vergangenen Donnerstag(28.06.2012) beim Spiel ‚Deutschland – Italien‘ die ‚Nationalelf‘ verloren hatte[2], verschwanden über Nacht unzählige schwarz-rot-goldene Banner von Autos, Balkonen, Fenstern, T-Shirts und aus den Gesichtern von Menschen. Während kurz nach dem Spiel die Fans der italienischen Mannschaft feiernd und hupend durch die Straßen fuhren, war den Fans der deutschen Mannschaft deutlich anzusehen, das sie eher keine Lust auf feiern hatten. Auf mysteriöse Weise sind auch ‚Hunderttausende Deutschlandfahnen über Nacht spurlos verschwunden'[3]. Auch gab es Aussagen wie diese:

Achtung, um 0 Uhr endet die Patriotismus-Schonfrist, wer in 40min mit Deutschlandfahne aufgegriffen wird ist ein Nazi! Pls RT – @neapel[4]

Zu diesem Tweet fand auf meinem Facebook-Profil dann noch eine kleine Diskussion statt[5].

Sind Nationalflaggen immer schlecht?
Diese Frage habe ich mir gestellt, als dieser ganze EM-Trubbel losging und nachdem mir ein Sticker mit einem Antifa-Logo bestehend aus einer USA- und einer Israel-Flagge in meine Facebook-Timeline gespült wurde. Im Zuge einer kleinen Diskussion wurde mir die Argumentation dargeboten, das eine Nationalflagge nicht zwangsläufig für einen Staat oder für eine Solidarität/Verbundenheit mit diesem Staat stehen muss. Meiner Meinung nach kann das nicht stimmen.

Was ist eine Nationalflagge?
Zunächst einmal möchte ich die ‚Nationalflagge‘ definieren. Dabei stütze ich mich vor allem auf Wortdefinitionen aus dem Fremdwörterduden(9. Auflage, 2006) und auf jeweils verlinkte Online-Lexika. Die Begriffe ‚Staat‘ und ‚Nation‘ verwende ich synonym zueinander.
Eine Flagge, oder auch Fahne, ist im Grunde eine rechteckige Fläche die mit Farben und/oder Symbolen geschmückt ist. Ursprünglich wurde die Flagge für die Kommunikation verwendet, z.B. zwischen Schiffen auf See. Der Ursprung ist ebenfalls (hauptsächlich) die Seefahrt. Mittlerweile zeigt eine Flagge eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Institution oder sonstigem Zusammenschluss[6 & 7].
Eine Nation(Na|ti|on, die) wird laut Duden definiert als 1. große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur. 2. Staat, Staatswesen(S. 691/692).
Weiter wird das Wort ’national'(na|ti|o|nal) von selbigen Duden definiert als a) zur Nation gehörend, sie betreffend, für sie charakteristisch. b) überwiegend die Interessen der eigenen Nation vertretend; väterländisch(S. 692).
Ausgehend von diesen Definitionen bezeichnet das zusammengesetzte Wort ‚Nationalflagge‘ also eine Flagge die für die Nation steht, sie Vertritt und die Zugehörigkeit der tragenden Person oder des tragenden Gegenstandes zu dieser Nation symbolisiert. Das verbrennen einer Nationalflagge, z.B. aus Protest oder Hass, symbolisiert damit einen (direkten) Angriff auf die Nation die diese Flagge zu sich zählt. Das zur Schau stellen einer Nationalflagge symbolisiert hingegen einen Stolz auf die Nation. Gleichgültig, ob man selbst rechtlich Bürger_in dieser Nation ist oder nicht.

Ich stelle also fest:

Wer eine Nationalflagge trägt, sich mit ihr schmückt oder sie als Symbol verwendet, bezieht sich immer auf die entsprechende Nation. Ist die Symbolik zerstörend, wird damit eine Abneigung gezeigt. Ist die Symbolik hingegen nicht-zerstörend, zeigt also z.B. kommentarlos die Nationalflagge, bezieht man sich positiv auf die entsprechende Nation.

Somit wäre auch die altbekannte Ausrede von Fußball-Fans widerlegt, in der Behauptet wird, man wolle ja nur die ‚deutsche Nationalelf‘ unterstützen und schwenke nur deswegen die deutsche Nationalflagge.

Was bedeutet das jetzt?
Im Endeffekt bedeutet das nun, das man entweder seine Ablehnung eines Staates durch Zerstörung einer Nationalflagge zeigt oder seine Sympathie durch das Tragen.
Dahinter steckt aber noch ein bischen mehr. Das Tragen einer Nationalflagge heißt nicht einfach nur, das man diesen Staat ganz dufte findet oder sich etwa freut in diesem Staat zu leben. Neben all den subjektiv positiven Aspekten bestehen nämlich noch eine ganze Menge objektiv negative Aspekte. Auf Deutschland bezogen wären das z.B. die Asylpolitik. Durch diese werden Menschen täglich diskriminiert, misshandelt und in den Tod getrieben(Abschiebung usw.). Aber auch Dinge wie Rüstungsexporte, durch die weltweit das Morden weiter ermöglicht wird, oder die Entwicklung von feinster Spionagehardware die ihres gleichen sucht. Es gibt unzählige Gründe die deutsche Nationalflagge nicht zu tragen. Das gilt aber auch für alle anderen Staaten auf diesem und allen anderen Planeten. International betrachtet führen Staaten dazu, das Menschen unterdrückt werden(unterwerfung unter Gesetze) und/oder sich nicht frei entfalten können(Kasten-Gesellschaft, verunmöglichte Bildung etc.). Will man den einen Staat verlassen, landet man zwangsläufig in einem anderen. Was die Sache nicht besser macht, da alle Staaten auf den selben Prinzipien aufgebaut sind und nationalistisch sind, also die Assimilation „fremder“ Menschen beinhalten. Zudem macht es, zumindest für mich, keinen Unterschied ob ich auf der blau angemalten Seite der Grenze oder auf der grünen stehe. Das Ablegen der Staatsbürger_innenschaft ist auch nur dann Möglich, wenn man eine andere Staatsbürger_innenschaft annimmt. Was die Möglichkeit, Staatenlos zu werden, erschwert bzw. aufgrund internationaler Verträge so gut wie unmöglich macht.

Ich stelle also fest:

Trägt eine Person die Nationalflagge eines Staates, so identifiziert sich diese Person nicht nur teilweise, sondern vollständig mit dem entsprechenden Staat. Lobt somit alle subjektiv positiven Aspekte sowie alle objektiv negativen Aspekte. Eine Fokusierung auf einen bestimmten Aspekt ist nicht Möglich.

Und daraus folgt?
Kurz gesagt: Cheauvinismus, Patriotismus, Nationalismus, Faschismus (in dieser Reihenfolge).
Während der Fußball-Europameisterschaft der Männer kam es immer wieder zu nationalistischen Ausbrüchen[8], diskriminierungen von „andersartigen“ Menschen[9] und zu Gewalt gegen „nicht-Deutsche“[10 & 11].

Überall wo es ein ‚Wir‘ gibt, gibt es auch immer ein ‚Die‘
Eine altbekannte Tatsache. Überall dort wo sich Menschen durch irgendwelche Dinge von anderen Menschen abgrenzen, entsteht ein ‚Wir‘. Ein Mensch kann somit sagen ‚Wir unternehmen etwas‘ oder ‚Wir sind stark‘ etc. Somit kann sich ein Mensch sicher fühlen, die Geborgenheit der Gruppe für sich beanspruchen und im gleichen Maße zurück an die Gruppe geben. Die Gruppe hält zusammen und alle schützen sich gegenseitig. Aber, vor was sollte sich eine Gruppe schützen, gäbe es da nicht ‚Die anderen‘. Ebenso läuft es bei Nationen. Ohne ‚Die anderen‘ wäre das ‚Wir‘ doch gar nicht zu rechtfertigen. Also fängt man an, sich selbst und die Gruppe über andere Gruppen und Menschen zu stellen. Im Falle der Nation stellt man sich als mutmaßlich rechtmäßige_n Inhaber_in der Nationalität über andere Nationen und über diejenigen, die ‚zugezogen‘ und somit ‚Fremdkörper‘ sind. Anfangs hatte man vielleicht gar keine bösen Absichten. Wollte doch gar nicht andere diskriminieren o.ä. Die Gruppendynamik und das, was die Gruppe ‚Nation'(oder jede andere) ausmacht, sorgt aber dafür das man ‚Die anderen‘ angreift, ausgrenzt und eben auch zu vertreiben gedenkt.
Diese Bilder eines ‚Wir‘ und eines ‚Die‘ findet sich praktisch überall. Beim rechtsradikalen Spektrum(Autonome Nationalisten, Freie Kräfte, etc.) sind das eben so ziemlich alle außer man selbst. Beim rechten Spektrum(NPD, CDU/CSU, Piraten, etc.) sind es eben die ‚Ausländer‘ welche die angebliche ‚abendländische Kultur‘ mutmaßlich ‚kaputt machen‘. Bei der Mitte(SPD, FDP, DGB, Piraten, etc.) sind es dann eben diejenigen, die gegen geltendes Gesetz verstoßen oder einfach nicht der eigenen Meinung sind. Beim linken Spektrum(DIE LINKE, DKP, Piraten, etc.) sind es dann eben die Kapitalist_innen, ‚Bonzen’/’Heuschrecken‘ oder die anderen Parteien. Beim linksradikalen Spektrum((Autonome) Antifa-Gruppen etc.) sind es dann Nazis, ‚bürgerliche Parteien‘ oder Israel-Freund_innen und -Feinde.

Ich stelle also fest:

Letztendlich führt das Tragen einer Nationalflagge, welche auch immer es sein möge, zu etwas schlechtem. Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also ‚Ja, Nationalflaggen sind immer schlecht‘.

Ende
Eigentlich habe ich jetzt etwas weiter ausgeholt, als ich ursprünglich vor hatte. Ich hoffe aber trotzdem, das zu erkennen und zu verstehen ist, was ich meine. Persönlich habe ich eine Abneigung gegen alle Staaten, Nationen, Republiken etc. die es auf diesem oder anderen Planeten gibt. Auch kann ich es nicht verstehen, wie es Leute geben kann die ernsthaft eine Nationalflagge schwenken können und dann behaupten, sie wollen nur ihre Solidarität mit diesem Staat ausdrücken sich aber nicht mit ihm identifizieren.

Wenn ihr das ganze kommentieren möchtet: Gerne! Allerdings sind alle Comments moderiert, was bedeutet das es nicht sofort öffentlich ist. Unter ‚Über mich‚ habe ich (ganz unten) kurz beschrieben, welche Arten von Comments bei mir nicht freigeschaltet werden.


[1] http://www.tagesschau.de/sport/fussball862.html
[2] http://www.sportschau.de/uefaeuro2012/deutschesteam/deutschlanditalien108.html
[3] http://www.der-postillon.com/2012/06/mysterios-hunderttausende.html
[4] https://twitter.com/neapel/status/218453976939638786
[5] https://www.facebook.com/jakesuster/posts/465432510151211
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Flagge
[7] http://www.flaggenlexikon.de/d-flagb.htm
[8] http://www.publikative.org/2012/06/22/eine-u-bahn-von-lemberg-bis-nach-auschwitz/
[9] http://kleinlain.wordpress.com/2012/06/23/benutze-hirn-mit-fussballfreude/
[10]http://www.addn.me/antifa/die-europameisterschaft-startet-in-dresden-mit-rechten-poebeleien-und-uebergriffen/
[11]http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3080501