I don’t get IT – „Haben Sie Referenzen?“

Ich kann mich noch sehr genau an die Worte des Prodekan während der Einführungsveranstaltung für mein Informatik-Studium erinnern. Er empfahl uns neben dem Studium nicht arbeiten zu gehen. Wir würden die Zeit für das Studium brauchen, um besser lernen zu können. Schon damals dachte ich mir, wie weltfremd diese Empfehlung doch ist. Für Studierende wie mich, die kein BAföG bekommen und von den Eltern nur minimal unterstützt werden, ist es notwendig neben dem Studium zu arbeiten.

Also begann ich damit, mir einen Job zu suchen. 400€-Basis, nur ein paar Stunden pro Woche. Am besten natürlich etwas, das mit meinem Studium zu tun hatte. Dafür klapperte ich alle mittelständischen IT-Unternehmen in der Umgebung ab. Verschickte Initiativbewerbungen und fragte bei Freund_innen und Bekannten rum. In den seltensten Fällen erhielt ich von den Unternehmen eine Antwort. Wenn doch, dann war es eine Absage. Entweder hätte man keine Möglichkeit eine Aushilfe einzustellen oder man wolle schlicht nicht. Ein Unternehmen machte mir in der Antwort sogar unmissverständlich klar, ich solle auch in Zukunft nicht wegen offenen Stellen anfragen. Am Ende landete ich in einem Logistikunternehmen. Dort arbeitete ich im Lager und schleppte Kisten hin und her, be- und entlud LKW’s und bekam 7,50€/Std. Nach 2 Semestern musste ich die Stelle studienbedingt kündigen. Jetzt kann ich wieder eine Stelle annehmen und hab es nötiger als je zuvor. Also machte ich mich wieder auf die Suche. Diesmal dachte ich mir, das die Unternehmen jetzt wahrscheinlich offener für mich wären, da ich ja schon was kann. Tja, falsch gedacht. Auch diesmal klapperte ich wieder einige Unternehmen ab. Diesmal auch größere und vorallem jene, die meinem Schwerpunkt entsprechen. Außerdem ließ ich mir eine originelle Form für das Bewerbungsschreiben einfallen. All das führte zumindest dazu, das ich von mehreren Unternehmen eine Antwort erhielt. Diese Antwort war aber keine Einladung zu einem Gespräch oder sonst etwas. Es war die Frage nach Referenzen, nach Projekten die ich gemacht hatte und anderen Beweisen das ich etwas kann. Nach meinen Studiums-Noten hat nur ein Unternehmen gefragt. Allen Unternehmen, die Referenzen wollten, hatte ich geschrieben, dass ich keine Projekte habe. Das ich mich außerhalb des Studium nicht ins Labor gesetzt habe und Software schrieb oder sonstiges tat. Daraufhin erhielt ich keine Antwort mehr. Letztendlich wird es wohl so aussehen, das ich wieder einen Job machen werde, der mit meinem Studium nicht ansatzweise etwas zu tun hat. Vielleicht räume ich ja diesmal Regale im Supermarkt ein. Für 5€/Std. Wer mich kennt, weiß das ich keineswegs der beste Student bin, den meine Uni jemals gesehen hat. Aber ich bin auch nicht der schlechteste. Nach meinem Bewerbungs-Marathon habe ich den Eindruck, die Unternehmen interessieren sich kein bischen für die Studiums-Noten. Eine Einstellung, die ich grundsätzlich ok finde. Würden die Unternehmen wenigstens Bewerber_innen eine Chance geben, sich zu beweisen. Allen Unternehmen habe ich Angeboten ein 1-2 wöchiges Praktikum zu machen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Antwort natürlich fehlanzeige.

Referenzen? Guck‘ mal auf die Uhr, ey!
Immer, wenn ich nach Referenzen gefragt werde, stelle ich mir die Frage, wo ich die Zeit für so etwas her nehmen soll. Mein typischer Studien-Tag(während der Vorlesungszeit) ist 9h lang. Davon sind grob 50% sitzen in Vorlesungen und die anderen 50% sind irgendwo sitzen und versuchen zu lernen. Schlafen muss ich ja auch noch irgendwann und den Kopf frei kriegen (durch TV, Internet, Sport, etc.) ist ja auch wichtig. Letztendlich ist, zumindest für mich, das Studium nicht anders als jede x-beliebige Lohnarbeit. Du stehst morgens auf, rennst an einen Ort um dich bequatschen zu lassen, ackerst dich dann ab um Leistung zu bringen und wenn du wieder nach hause kommst, willst du nur noch abschalten. Was bin ich froh, das ich ein Smartphone habe und während den Vorlesungen surfen kann. Das fördert zwar nicht meinen Studien-Erfolg, aber zumindest verhindert es, das ich vor lauter Streß auf der Strecke bleibe. In betrachtung dieses nicht-Zeit-haben’s frage ich mich dann auch, in welcher Realität Unternehmen leben, die ohne Referenzen keine Studierenden näher betrachten wollen. Über mich kann ich getrost sagen, das ich Durchschnitt bin. Die Unternehmen suchen aber immer die Leute, die über dem Durschnitt sind. An meiner Uni gab es in der Fachschaft einen Studenten, der in einem Semester 14 Module gemacht hat. Das konnte er aber nicht machen, weil er total der krass intelligente Kerl war/ist. Er hatte diese ganzen Sachen einfach schon vor dem Studium schon größtenteils gelernt und musste dann nur noch in den Vorlesungen sitzen und wissen, was di:er Dozent_in verlangt. Meines Wissens ist er jetzt auch irgendwo im Land bei einem Forschungsprojekt gelandet. Solche Studierenden sind aber bekannterweise die absolute Ausnahme. Mir aber kommt es so vor, als würden Unternehmen solche Menschen als Norm betrachten. Noch dazu frage ich mich, wie ich mir Referenzen erarbeiten soll, wenn ich (abgesehn von keiner Zeit dafür) auch noch keine Möglichkeit habe, an Equipment zu kommen. Schließlich bewerbe ich mich nicht nur als Werkstudent oder Aushilfe, weil ich Geld brauche. Dafür kann ich auch einfach am Imbiss Döner verkaufen. Ich bewerbe mich bei IT-Unternehmen, weil ich Praxis und Erfahrung sammeln will. Eine Stelle bekomme ich aber nur, wenn ich Praxis und Erfahrung bereits nachweisen kann.

Bachelor ist scheiße – Ich hab die Beweise
Das Bachelor/Master-System wurde ja eingeführt, um Uni-Abschlüsse international vergleichbar zu machen. Ebenso um das Studium zu verkürzen. Es hieß, die Studierenden sollten durch den Bachelor-Abschluss einen Job finden können. Ich für meinen Teil kenne niemanden di:er mit einem Bachelor einen Job gefunden hat. Zumindest nicht als das, was si:er studierte. Noch dazu wird das Wissen, bzw. die Information, versucht den Studierenden ins Hirn zu pressen. In meinem zweiten Semester hatte ich einen älteren Dozenten, der sich in mindestens jeder zweiten Vorlesung über das Bachelor/Master-System aufregte. Vorallem, weil er gar keine Zeit mehr hat wichtige Inhalte entsprechend zu behandeln, das wir Studierenden das auch ordentlich verstehen. Andere Dozierende wussten gar nicht, das bestimmte Module durch die Umstellung aus dem zweiten ins erste Semester verlegt wurden und somit parallel laufen. Wobei diese beiden Module teilweise aufeinander aufbauen. Selbst der Prodekan, welcher bei uns die Stundenpläne und Curriculas managed, wusste nicht in welchem Semester welche Module angesiedelt sind. Organisation? Ach pff…

Rage against the Study
Ich für meinen Teil bin jetzt jedenfalls soweit, auch wegen ein paar anderen Dingen, das ich genau das mache, was man eigentlich nicht machen sollte: Scheuklappen auf und irgendwie durchs Studium kommen. Vielleicht brenne ich irgendwann auch einfach meine Uni nieder. Das ist so mein Alternativplan.


Scheiß auf Tiefenanalyse! Wäre ich nicht der erste Mensch.