Loyal to no one?

Nachfolgend mal wieder eine Formulierung von Gedanken(-gängen). Freund_innenschaften kommen dabei relativ fragwürdig weg (finde ich).

Es fällt mir immer auf. Bei anderen wie auch bei mir. Deswegen will ich jetzt dazu mal einen Blogpost verfassen, weil es für mich ein wichtiges Thema (geworden) ist. Der Titel sagt eigentlich schon vieles. Es geht um Loyalität zwischen Menschen. Ein Thema, welches ich hier und heute zum ersten Mal in meinem Leben thematisiere und ausformuliere. Von diesem Thema werden, meiner Meinung nach, auch wichtige Konstrukte der linken Szene getroffen. So z.B. Solidarität oder auch einfach die ganz banale Freund_innenschaft zwischen Menschen. Aber fangen wir erst einmal an.

Was meine ich eigentlich?
Immer wieder beobachte ich eigenes und fremdes Verhalten. Ob das nun ganz banal im öffentlichen Raum ist, im privaten Raum oder in Szene-Räumen. Dabei fällt mir immer wieder auf, das es quasi „natürliche Fronten“ gibt. Diese verlaufen aber in den wenigsten Fällen zwischen Meinungsbildern oder Ideologien. Fast immer velaufen diese zwischen einer Gruppe Freund_innen und einer anderen Gruppe Freund_innen. Es finden sich die Menschen an einer Stelle im Raum zusammen, die sich kennen und Freund_innen sind. Dabei will ich an dieser Stelle als Definition von Freund_innenschaft einfach folgende festlegen:

„Zwei Menschen die sich kennen und gerne Zeit miteinander verbringen, sind als Freund_innen anzusehen“

Das ist eine sehr allgemeine Definition, spart mir in diesem Blogpost aber die Unterteilung in „Nicht-Freund_innen“, „Bekannt_innen“ und „Freund_innen“ (oder evtl. noch mehr). Es bleibt also binär: Entweder Freund_in oder Nicht-Freund_in. Weiterhin will ich Axiome aufstellen:

  1. Freund_innen werden bevorzugt behandelt
  2. Freund_innen unterstützen sich immer gegenseitig
  3. Grundannahme ist, das der_die Freund_in im Streitfall mit Nicht-Freund_innen im Recht ist

Mit diesen Axiomen möchte ich darstellen, wie das von mir beobachtete Verhalten von einer Gruppe Freund_innen immer wieder umgesetzt wird. Es gibt viefälltige Beispiele, weswegen ich kein spezielles bringen möchte. Das sich solche „Regeln“ bilden, ist aber auch nicht verwunderlich. Freund_innen sind in der Regel Menschen mit einer gewissen Schnittmenge an Interessen. Dabei ist es irrelevant, ob diese Interessen praktisch* sind, also z.B. Sport, oder theoretisch**, also z.B. Gespräche. Dadurch wird eine emotionale Bindung zueinander aufgebaut. Freund_innen bestärken sich gegenseitig in ihrer Sichtweise. Mal mehr, mal weniger stark. Eine solche Bindung sorgt zum einen dafür, das sich Freund_innen verpflichtet fühlen zu helfen. Zum anderen sorgen sie dafür, das Gefühl zu haben, das Freund_innen zur Hilfe kommen (können). Dabei spielt auch, finde ich, Egoismus eine gewisse Rolle. Freund_in A hilft Freund_in B, weil A darauf baut, die Hilfe von B irgendwann in Anspruch nehmen zu können. Das funktioniert übrigens auch wunderbar ohne „aufwiegen“. Also es wird keine Strichliste geführt, wie oft A schon B geholfen hat und umgekehrt, auf die sich berufen wird. Es ist einfach ein „A hat mir geholfen, jetzt muss ich zurück-helfen“. Freund_innen gehen also eine Verpflichtung gegenüber ein, zusammenzuhalten.

Zu was führt das also?
Grundsätzlich führt das dazu, das ein „Wir“ und ein „Die anderen“ konstruiert wird. Dabei sind „Die anderen“ in den meisten Fällen die, gegen die sich das „Wir“ verteidigen und/oder behaupten muss. In der Regel führt das genauso oft zu Konflikten wie es das nicht tut. Soll heißen, das mehrere „Wir“ parallel co-existieren können, ohne in Konflikt zu geraten. Aber ebenso können Kleinigkeiten eine solche Balance stören. Dabei muss es keinesfalls um offene Konflikte gehen wie z.B. eine Schlägerei oder eine bekannte inkompatibilität der Weltbilder. Die wirklich wichtigen Konflikte sind diejenigen, welche nicht offen ausgesprochen werden. Es geht auch nicht darum, warum ein Konflikt besteht. Es geht nur darum das ein Konflikt besteht. Jetzt kommen wir ein bischen dazu, wie diese Art der Konflikte in der Gruppe gehandhabt werden. Als erstes ist wichtig, wie die Bindungen in der Gruppe sind. Bindungen sind individuel, also jede Person hat eine unterschiedlich starke Bindung zu jeder anderen Person in der Gruppe. Wenn eine Mehrheit der Personen ein Problem mit anderen Nicht-Freund_innen hat, dann wird sich dieser Konflikt mit der Zeit auch an die Personen der Gruppe ausbreiten, die anfangs kein Problem mit den anderen hatten. Das kann man auch simpel als „Gruppenzwang“ bezeichnen. Sowas kann offensiv erfolgen, in dem in der Gruppe von der Mehrheit eine Atmosphäre etabliert wird, die der Minderheit vermittelt, diese bekommt Probleme mit der Gruppe wenn sie nicht mitzieht. Es geht aber auch anders. Unterschwellig wird der Umgang mit „Den anderen“ gemieden und es wird eine negative Atmosphäre assoziiert. Also z.B. die Gespräche in der Gruppe verstummen und alle schauen eher genervt weg wenn „Die anderen“ in der Nähe sind. Dadurch färbt das Verhalten auf alle ab und am Ende haben sogar die Personen ein Problem mit „Den anderen“, die vorher keines hatten und wissen noch nicht einmal genau, warum. Es gibt aber auch den Fall, das eine Minderheit einen Konflikt in die Gruppe trägt und dieser Konflikt die Gruppe nach und nach „übernimmt“. Dabei kommen diese individuellen Bindungen verstärkt ins Spiel. Eine Person bringt einen Konflikt ein. Über die stärksten Bindungen wird dieser Konflikt an andere Personen übertragen. Das geschieht unterschiedlich schnell/langsam. Dabei spielt aber auch nicht die ausgehende Bindung eine Rolle, sondern die eingehende. Wenn A eine stärkere Bindung zu B hat als B zu A, dann wird A schneller einen Konflikt von B übernehmen als B einen von A. Da letztendlich jede Person in einer Gruppe min. eine starke Bindung zu min. einer anderen Person in der Gruppe hat, breitet sich ein Konflikt auf diesem Wege in der Gruppe aus. Und wieder haben am Ende alle Personen diesen Konflikt übernommen ohne genau zu wissen, warum.

Loyalität? Hierarchie? Kontext?
Wo immer eine Bindung besteht, besteht eine Abhängigkeit. Wo immer eine Abhängigkeit besteht, wollen die Profiteur_innen sie beibehalten. Wo immer eine Abhängigkeit beibehalten wird, festigt sich eine Loyalität um diese Abhängigkeit zu verteidigen. Wo immer eine Loyalität gefestigt wird, entstehen Hierarchien. Diese Hierarchien äußern sich dadurch, das Freund_innen ein gewisser Gehorsam entgegen gebracht wird. Freund_innen äußern untereinander Bitten. Solche Bitten werden dann eher angenommen, als wenn sie von Nicht-Freund_innen gehäußert würden. Es gibt keine klar definierte Struktur wie z.B. beim Militär. Es ist vielmehr so, das die Person, welche die Bitte äußert, nicht Bittsteller_in ist sondern Forder_in. Wird die Bitte abgeschlagen und evtl. nicht einmal ein (verdammt guter) Grund genannt, ist der_die Forder_in zwangsläufig enttäuscht. Das muss diese Person nicht einmal merken. Aber wenn jemand eine Bitte formuliert, dann wird erwartet, das der Bitte genüge getan wird. Dadurch wird aus einer Bitte unter Freund_innen eine Forderung. Und wenn diese Abgelehnt wird, dann ist die daran geknüpfte Hoffnung eben zerstört und die Person ist enttäuscht. Enttäuschungen sind nicht das beliebteste, weswegen Strategien entwickelt werden um das zu verhindern. Darunter ist eben auch die Ansicht, das wenn man andere nicht Enttäuscht, diese dann auch zurück „nicht-enttäuschen“. Wieder eine Form der festigung von Abhängigkeiten.

Der selbstreflektierende Teil
…wird von mir ausgelassen. Zwar bin ich mir über all das bisher geschriebene auch bei mir bewusst. Allerdings bin ich mit meiner Selbstreflektion noch nicht so weit um sagen zu können „Ja, ich bin mir bewusst das ich darauf gedrillt wurde, Menschen zu kategorisieren und hiermit stelle ich das ab. *klick*“. Demnächst vielleicht. Im Juli 2012 hatte ich schon einmal einen Blogpost über Solidarität geschrieben. Dieser könnte als erster Gedanke zu diesem Blogpost hier angesehen werden.


*Als „praktisch“ bezeichne ich solche Interessen, die meistens mit Hobbies assoziiert werden. Das wären also, wie genannt, Sport aber auch Filme gucken, Bücher lesen oder Basteln.
**Hingegen beschreibe ich mit „theoretisch“ solche Interessen, die schwer greifbar sind wie z.B. über ein Thema philosophieren, politische Ereignisse diskutieren oder zusammen träumen.

Solidarität

So|li|da|ri|tät die; -(lat.-fr.): Zusammengehörigkeitsgefühl, Gemeinsinn – aus: Duden, das Fremdwörterbuch, 9. Auflage, S.969

Ein starkes Wort, Solidarität. Gemeinhin verstanden als eine Form der gegenseitigen Hilfe, des Zusammenhalts. Durkheim unterschied in seinem Werk „Über soziale Arbeitsteilung“[1] von 1893 zwischen zwei generellen Formen der Solidarität:

  • Die mechanische Solidarität beruht auf den Gemeinsamkeiten der Menschen. Hierbei kann es sich z.B. um die Zugehörigkeit zu einem Verein handeln oder um ein körperliches Merkmal wie z.B. eine körperliche Behinderung
  • Die organische Solidarität hingegen kann mit „Zweckbündnis“ verstanden werden. Hierbei wird die Solidarität solange geleistet, wie das Ziel nicht erreicht ist.

An und für sich ist Solidarität nichts, was „nur“ von einer linken Bewegung beansprucht wird. In politischen Zusammenhängen werden oft mehrere Worte für ein und dasselbe gebraucht. Meine Erfahrung liegt da bei Worten wie Kameradschaft, Kollegialität oder Korpsgeist. Alle bezeichnen, genauso wie Solidarität, den Zusammenhalt der Gruppe/Bewegung gegen Gegener_innen. Soviel zum Allgemeinen.

Kommen wir jetzt zu dem, worauf ich eigentlich hinaus will: Der Begriff Solidarität in der linken Szene.
Wenn man in der linken Szene, sei es nun im autonomen, gewerkschaftlichen, parteilichen oder sonstigen Zusammenhang, aktiv ist, wird man ja an allen Ecken und Enden mit Aufrufen zur Solidarität überschüttet. Ob es nun direkte Aufrufe sind, z.B. der DGB-Aufruf die Schlecker-Mitarbeiter_innen nicht im Stich zu lassen[2], oder eher indirekte Aufrufe, so z.B. von der Antifa Jugend Plauen[3]. Überall sind wir damit konfrontiert. Von meiner Seite finde ich diese Aufrufe auch wichtig, finde es aber auch schade, dass das Wort Solidarität so inflationär genutzt wird. Zumindest für mich als Linken gehört es einfach dazu. Oder um es genauer zu sagen: Für mich als Mensch, der anderen Menschen helfen will. Jetzt kommen wir aber langsam zu einem kleinen Problem. Das Problem des unsolidarisch sein. Sehr oft ist mir aufgefallen, das Solidarität auch egoistisch aufgefasst wird. Also das eine Person ein solidarisches Verhalten von anderen auf sich bezogen fordert und die Akzeptanz bzw. das kommentarlose Leisten der Solidarität verlangt. Dabei wurde dann auch gerne mal von der fordernden Person außer acht gelassen, das die anderen auch irgendetwas zu tun haben oder einfach nicht wollen. Der Vorwurf „Sei doch nicht so unsolidarisch“ fliegt dann schon mal schnell durch den Raum. Ein solches Verhalten ist mir vorallem im Zusammenhang mit Gruppen aufgefallen, die sich selbst als solidarisch begreifen. Damit meine ich solche Gruppen, die in ihrem Selbstverständnis stehen haben, sie verstehen sich selbst als solidarisch (Gleichgültig ob dieses Selbstverständnis tatsächlich verschriftlicht ist oder nicht).

Meine Meinung nach entsteht durch diese festlegung „Wir sind solidarisch!“ ein feststehender Begriff den es nicht zu hinterfragen gilt. Das gleiche konnte ich auch schon bei anderen Begriffen beobachten. Da wurde gesagt „Wir sind demokratisch, so stehts in der Satzung.“ und doch wurde für die Wahlen immer schon vorher ausgemacht, wer den antreten ‚darf‘ und wer es lieber lassen sollte. Oder aber es wurde gesagt „Wir setzen uns für Gleichberechtigung ein.“ und doch wurden weiblich konotierte Menschen stehts sexistisch Behandelt und eine typisch bürgerlich-sexistische Ordnung aufrecht erhalten. Nur, weil etwas auf einem Stück Papier steht führt das, meiner Meinung nach, keine Veränderung herbei.

Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen. – Albert Einstein

Dieses Zitat erinnert mich immer wieder daran, das alles was ich mache und denke niemals zu einem Ende kommt. Ich schließe vielleicht eine Aufgabe ab, aber das bringt mich niemals zum Ende. Genauso, finde ich, muss eine fortlaufende Reflexion von Begriffen wie Solidarität, Basisdemokratie oder sonstigem stattfinden. Und man darf keine Angst haben erreichte Erfolge weg zu werfen. Auch wenn es nicht leicht fällt, mir gewiss auch nicht, darf man nicht stehen bleiben. Zu sagen „Meine Meinung steht.“ ist genauso hilfreich wie zu sagen „Das Papier ist leer so schön, das ich nicht darauf schreiben will“. In der Werbebranche sagt man, man müsse sich immer wieder neu erfinden.

Wahrscheinlich geht es vielen ähnlich wie mir. Man ist in seinem gewohnten politischen Ablauf und merkt manchmal gar nicht, wie man sich selbst verändert. (Selbst-)Reflexion ist nicht einfach, aber warum sollte es das auch sein?! Die einfachen Meinungen sind es doch, die die Welt schlecht machen(Faschismus, Rassismus, etc.).

Mit diesem, recht einfachen, Schlusswort will ich dann auch diesen, recht einfachen, Blogpost beenden. Er ist nicht tiefgründig und könnte gewiss ausführlicher sein. Momentan habe ich aber nur das zusammengebracht bzw. zusammenbringen können/wollen. Ach, bevor ich es vergesse: Die Motivation war ein kürzlich mit einer Freundin stattgefundenes Gespräch über Zusammenhalt an ihrer Schule und in der linken Szene.


Bemerkung: Ich habe Durkheim[Wiki] nicht vollständig gelesen, sondern nur Auszüge zum Thema „Solidarität“.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Émile_Durkheim#.C3.9Cber_soziale_Arbeitsteilung_.281893.29
[2] http://www.dgb.de/presse/++co++ee2dc188-686c-11e1-672f-00188b4dc422/@@index.html?tab=Artikel&display_page=1&search_text=Solidarit%C3%A4t
[3] http://ajpl.blogsport.de/2012/03/25/naziaufmarsch-in-plauen-verhindern/