So|li|da|ri|tät die; -(lat.-fr.): Zusammengehörigkeitsgefühl, Gemeinsinn – aus: Duden, das Fremdwörterbuch, 9. Auflage, S.969
Ein starkes Wort, Solidarität. Gemeinhin verstanden als eine Form der gegenseitigen Hilfe, des Zusammenhalts. Durkheim unterschied in seinem Werk „Über soziale Arbeitsteilung“[1] von 1893 zwischen zwei generellen Formen der Solidarität:
- Die mechanische Solidarität beruht auf den Gemeinsamkeiten der Menschen. Hierbei kann es sich z.B. um die Zugehörigkeit zu einem Verein handeln oder um ein körperliches Merkmal wie z.B. eine körperliche Behinderung
- Die organische Solidarität hingegen kann mit „Zweckbündnis“ verstanden werden. Hierbei wird die Solidarität solange geleistet, wie das Ziel nicht erreicht ist.
An und für sich ist Solidarität nichts, was „nur“ von einer linken Bewegung beansprucht wird. In politischen Zusammenhängen werden oft mehrere Worte für ein und dasselbe gebraucht. Meine Erfahrung liegt da bei Worten wie Kameradschaft, Kollegialität oder Korpsgeist. Alle bezeichnen, genauso wie Solidarität, den Zusammenhalt der Gruppe/Bewegung gegen Gegener_innen. Soviel zum Allgemeinen.
Kommen wir jetzt zu dem, worauf ich eigentlich hinaus will: Der Begriff Solidarität in der linken Szene.
Wenn man in der linken Szene, sei es nun im autonomen, gewerkschaftlichen, parteilichen oder sonstigen Zusammenhang, aktiv ist, wird man ja an allen Ecken und Enden mit Aufrufen zur Solidarität überschüttet. Ob es nun direkte Aufrufe sind, z.B. der DGB-Aufruf die Schlecker-Mitarbeiter_innen nicht im Stich zu lassen[2], oder eher indirekte Aufrufe, so z.B. von der Antifa Jugend Plauen[3]. Überall sind wir damit konfrontiert. Von meiner Seite finde ich diese Aufrufe auch wichtig, finde es aber auch schade, dass das Wort Solidarität so inflationär genutzt wird. Zumindest für mich als Linken gehört es einfach dazu. Oder um es genauer zu sagen: Für mich als Mensch, der anderen Menschen helfen will. Jetzt kommen wir aber langsam zu einem kleinen Problem. Das Problem des unsolidarisch sein. Sehr oft ist mir aufgefallen, das Solidarität auch egoistisch aufgefasst wird. Also das eine Person ein solidarisches Verhalten von anderen auf sich bezogen fordert und die Akzeptanz bzw. das kommentarlose Leisten der Solidarität verlangt. Dabei wurde dann auch gerne mal von der fordernden Person außer acht gelassen, das die anderen auch irgendetwas zu tun haben oder einfach nicht wollen. Der Vorwurf „Sei doch nicht so unsolidarisch“ fliegt dann schon mal schnell durch den Raum. Ein solches Verhalten ist mir vorallem im Zusammenhang mit Gruppen aufgefallen, die sich selbst als solidarisch begreifen. Damit meine ich solche Gruppen, die in ihrem Selbstverständnis stehen haben, sie verstehen sich selbst als solidarisch (Gleichgültig ob dieses Selbstverständnis tatsächlich verschriftlicht ist oder nicht).
Meine Meinung nach entsteht durch diese festlegung „Wir sind solidarisch!“ ein feststehender Begriff den es nicht zu hinterfragen gilt. Das gleiche konnte ich auch schon bei anderen Begriffen beobachten. Da wurde gesagt „Wir sind demokratisch, so stehts in der Satzung.“ und doch wurde für die Wahlen immer schon vorher ausgemacht, wer den antreten ‚darf‘ und wer es lieber lassen sollte. Oder aber es wurde gesagt „Wir setzen uns für Gleichberechtigung ein.“ und doch wurden weiblich konotierte Menschen stehts sexistisch Behandelt und eine typisch bürgerlich-sexistische Ordnung aufrecht erhalten. Nur, weil etwas auf einem Stück Papier steht führt das, meiner Meinung nach, keine Veränderung herbei.
Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen. – Albert Einstein
Dieses Zitat erinnert mich immer wieder daran, das alles was ich mache und denke niemals zu einem Ende kommt. Ich schließe vielleicht eine Aufgabe ab, aber das bringt mich niemals zum Ende. Genauso, finde ich, muss eine fortlaufende Reflexion von Begriffen wie Solidarität, Basisdemokratie oder sonstigem stattfinden. Und man darf keine Angst haben erreichte Erfolge weg zu werfen. Auch wenn es nicht leicht fällt, mir gewiss auch nicht, darf man nicht stehen bleiben. Zu sagen „Meine Meinung steht.“ ist genauso hilfreich wie zu sagen „Das Papier ist leer so schön, das ich nicht darauf schreiben will“. In der Werbebranche sagt man, man müsse sich immer wieder neu erfinden.
Wahrscheinlich geht es vielen ähnlich wie mir. Man ist in seinem gewohnten politischen Ablauf und merkt manchmal gar nicht, wie man sich selbst verändert. (Selbst-)Reflexion ist nicht einfach, aber warum sollte es das auch sein?! Die einfachen Meinungen sind es doch, die die Welt schlecht machen(Faschismus, Rassismus, etc.).
Mit diesem, recht einfachen, Schlusswort will ich dann auch diesen, recht einfachen, Blogpost beenden. Er ist nicht tiefgründig und könnte gewiss ausführlicher sein. Momentan habe ich aber nur das zusammengebracht bzw. zusammenbringen können/wollen. Ach, bevor ich es vergesse: Die Motivation war ein kürzlich mit einer Freundin stattgefundenes Gespräch über Zusammenhalt an ihrer Schule und in der linken Szene.
Bemerkung: Ich habe Durkheim[Wiki] nicht vollständig gelesen, sondern nur Auszüge zum Thema „Solidarität“.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Émile_Durkheim#.C3.9Cber_soziale_Arbeitsteilung_.281893.29
[2] http://www.dgb.de/presse/++co++ee2dc188-686c-11e1-672f-00188b4dc422/@@index.html?tab=Artikel&display_page=1&search_text=Solidarit%C3%A4t
[3] http://ajpl.blogsport.de/2012/03/25/naziaufmarsch-in-plauen-verhindern/