Am hiesigen Bildungssystem gibt es gewiss einiges zu kritisieren. Heute kam mir aber, mal wieder, konkret das Thema der Klausur in den Kopf. Dabei überlegte ich nicht etwa, was die Folgen von Klausuren sind. Vielmehr beschäftigte ich mich damit, was die Ursachen dafür sind. Also warum hat es sich durchgesetzt, das diejenigen die etwas lernen sollen/wollen von denjenigen die etwas beibringen sollen/wollen, ein Stück Papier bekommen und geschlossene Fragen beantworten sollen?
Ganz langsam: Was ist eine Klausur?
Damit keine Missverständnisse aufkommen, da „Klausur“ ja je nach Zusammenhang anders definiert wird bzw. werden kann, erläutere ich erst einmal, was ich damit meine. Für Menschen, die sich mit Pädagogik beschäftigen, ist das sicherlich nichts neues. Anzumerken wäre auch, das ich „Klausur“ und „Klassenarbeit“ gleichsetze.
Eine Klausur ist eine Ansammlung von Aufgaben eines genau umrissenen Wissensbereichs. Die Aufgaben können simpel (single- oder multiple-choice) oder komplex (Formelberechnungen, frei zu formulierender Antworttext o.ä.) sein und sind auf Papier gedruckt. Es bearbeiten zeitgleich, meist auch im selben Raum, mehrere Personen die selbe oder eine Variation der Aufgabenstellung. Für die Bearbeitung ist ein zuvor bekannt gemachter Zeitraum festgelegt und während der Bearbeitung findet keine Kommunikation mit einer anderen Person oder einer Ansammlung von Wissen statt. Während der Bearbeitung stehen die Personen, welche die Aufgabenstellung bearbeiten, unter Aufsicht durch eine oder mehrere Personen, meist Lehrende. Am Ende der Bearbeitungszeit werden die ausgefüllten Klausuren von den Aufsichtspersonen eingesammelt und anschließend von dazu bestimmten Personen auf Fehler kontrolliert. Anhand der Fehlerquote wird eine Note vergeben, welche den jeweiligen Personen individuell bekannt gemacht wird.
Damit dürfte das meiste abgedeckt sein. Neben einer Klausur auch ein Teil des Prozesses der zur Note führt.
Mal genauer: Klausurfragen
Grundsätzlich kann man sagen: Alle Fragen in einer Klausur sind binär, weil sie mit richtig oder falsch bewertet werden können. Bei Single- oder Multiple-Choice ist das auch einfach. Entweder ist an der richtigen Stelle eine Markierung oder eben nicht. Bei komplexen Fragen ist das dann wieder ein bischen komplizierter, aber immernoch recht einfach. Wenn z.b. die Frage gestellt wird „Warum ist der Himmel blau?“, dann ist eben die einzig richtige Antwort „Weil das kurzwellige blaue Licht um einiges stärker von der Atmosphäre gestreut wird als jedes andere Lichtspektrum“. Die Antwort ist komplizierter, weil sie selbst formuliert werden muss und es keine Anhaltspunkte wie bei simplen Fragen gibt. Dennoch ist es am Ende entweder richtig oder falsch. Gleiches gilt für Formeln und Berechnungen jeder Art. Es gibt vielleicht mehrere Wege um ans Ergebnis zu kommen, aber es muss ein bestimmtes Ergebnis sein. Bei Mathe-Klausuren wird ja auch gerne der Rechenweg mitbenotet. Dieser ist dann eben auch richtig, weil er zum richtigen Ergebnis geführt hat, oder falsch, weil ein Fehler drin ist oder rauskam (mal davon abgesehen, das bei manchen Mathe-Aufgaben ein ganz bestimmter Rechenweg abgefragt werden soll).
Und jetzt: Klausurantworten
Wenn also die Klausurfragen binär sind, dann sind Klausurantworten zwangsweise unär[1]. Auf eine Frage gibt es zwei Möglichkeiten zu Antworten. Jede (richtige) Antwort ist, in Verbindung mit der Frage, einzigartig. Das heißt also, das die Frage nicht verstanden werden muss, um eine richtige Antwort darauf zu geben. Es muss lediglich die Verknüpfung „Frage -> richtige Antwort“ hergestellt werden. Es muss nicht verstanden werden, warum der Himmel blau ist, sondern es muss nur gemerkt werden, was die Antwort auf diese Frage ist. Das also das Sonnenlicht von den, in erster Linie, Sauerstoff-Molekülen reflektiert wird und dabei das Lichtspektrum mit einer Wellenlänge von 420 bis 490nm (blaues Licht) um einen 16-mal stärkeren Faktor gestreut wird als jedes andere Lichtspektrum und so den Himmel blau erscheinen lässt, wäre eine korrekte und tiefe Antwort auf die Frage nach dem warum. Diese Antwort zeugt von einem Verständnis der Frage, statt nur einem deinteressierten auswendig lernen. Allerdings gibt es für diese, eigentlich bessere Antwort, die selbe benotung wie für die simplere Antwort weiter oben. Es wird also egal, ob man mehr weiß als gefragt wird oder nicht.
Hm…Warum?
Natürlich kann nicht jede Klausur tiefgreifende Fragen stellen und prüfen, ob das Thema verstanden wurde. Aber warum dann noch Klausuren schreiben? Das einzige, was eine Klausur beweist ist, wie gut eine Person auswendig lernen kann. Dabei gewinnen in der Regel diejenigen, welche es schaffen ihr Hirn abzuschalten und sich ohne murren Antworten in den Kopf zu klopfen. Klar, wenn man das Thema verstanden hat, dann sollte eine Klausur auch kein Problem sein. Falsch! Denn verstehen ist nicht gleich auswendig lernen. Zum Verstehen gehört nämlich einiges mehr. Um etwas zu verstehen, muss man es auch verstehen wollen. Etwas auswendig lernen ist nichts anderes als Training. Wenn man einen Werbespot häufig sieht oder hört, wird man sich recht schnell den Werbespruch gemerkt haben. Etwas auswendig gelerntes abfragen ist also nichts anderes als einen antrainierten Reflex auszulösen. Hat man nun aber ein Thema verstanden, weil man sich damit ausführlich beschäftigt hat o.ä., dann setzt das Abfragen einen Denkvorgang voraus. Der dauert länger als reines reflex-artiges Abrufen und in verbindung mit der begrenzten Bearbeitungszeit einer Klausur führt das zu eine Streßsituation. Es gibt Personen, die damit besser umgehen können als andere. Aber alles in allem ist eine Klausur folgendes: Streß! Es wird nämlich, dank der Bearbeitungszeit, der Eindruck erweckt, das der_die Schnellste gewinnt. Nachdenken ist aber nicht schnell. Dadurch wird dem auswendig lernen also ein Vorteil verschafft, weil es an jeder Ecke heißt „Wenn du die Antwort nicht sofort weißt, dann kannst du das nicht und bist dumm“.
Erm…Und warum jetzt?
Der Grund, warum Klausuren durchgeführt werden, kann also nicht der Wille sein, das Leute etwas verstehen sollen. In meinen Augen gibt es nur 2 Gründe, warum Klausuren durchgeführt werden:
- Faulheit
- Zeitdruck
Der erste Grund lässt sich ganz leicht erklären. Eine Klausur im binären Muster lässt sich recht schnell kontrollieren und benoten. Es wird die Antwort gelesen und wenn diese nicht dem entspricht, was in der Musterlösung steht, ist es eben falsch. Fertig! Dadurch muss sich niemand tatsächlich mit den Antworten befassen. Es ist auch möglich, so etwas einfach von einem Computer auswerten zu lassen. Einscannen, Schrifterkennung drüber laufen lassen und dann abgleichen, ob verschiedene Indikatoren vorhanden sind. Sind, sagen wir mal, 4 von 6 Indikatoren enthalten, ist die Antwort richtig. Ansonsten eben nicht. Beim zweiten Grund geht es um das selbe, weswegen auch das Bachelor/Master-System eingeführt wurde. Eine Ausbildung dauert. „Dank“ dem Bologna-Prozess haben Studierende jetzt schon nach 3 Jahren ihr Studium beendet. Master ist schließlich nur ein Aufbau-Studium. In der Schule genauso. Abitur gibt es jetzt 1 Jahr früher. Berufsaubildungen dauern auch nur so lange wie nötig. Zeit ist Geld und Geld gibt es ja nicht so viel. Also wird versucht, das benötigte Wissen in Köpfe zu pressen und dann wird mit Klausuren kontrolliert, ob das geklappt hat. Das Dumme dabei ist auch noch, das die Antwort auf Fragen zu kennen mit Intelligenz verwechselt wird.
Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.
Arthur Schopenhauer
Jetzt kommen wir ein bischen zu einer allgemeinen Kritik am Bildungssystem. Während versucht wird das Wissen in Köpfe zu pressen, wird dabei vollkommen vergessen, das Menschen von Natur aus neugierig sind und lernen wollen. In der Schule wird das dann erstickt, weil Intelligenz dort mit Wissen gleichgesetzt wird. Wer ständig „Warum?“ fragt, wird als nervig empfunden und ruhig gestellt. Der Kindergarten ist dazu da, wurde mir mal gesagt, das Kinder lernen still zu sitzen. Keine Ahnung, ob das wirklich ein Ziel ist. Aber es ergibt Sinn. In der Grundschule wird den Kindern dann 4 Jahre beigebracht, das es nur das zu lernen gibt, was in den Schulbüchern steht. Und natürlich, das man nur dann etwas Wert ist, wenn man gute Note hat. Ab der 5. Klasse sieht es kaum anders aus. Jetzt steckt man in einem der 3 Schulzweige und gilt deswegen entweder als Wertvoll(Gymnasium), Durchschnitt(Realschule) oder Wertlos(Hauptschule). Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz wird das nochmals verschlimmert, weil Firmen natürlich bestimmte Anforderungen haben. Wenn ich mal wieder lese, das die IHK jammert, es konnten dieses Jahr nicht alle freien Ausbildungsplätze besetzt werden, bekomm ich das kotzen. Genauso, wenn Hochschulen darüber jammern, ihre Hörsäle sind überfüllt.
Alternative?
Als Alternative für Klausuren gibt es, finde ich, nur die Hausarbeit. Eine Aufgabenstellung, die binnen einer bestimmten Zeit zu bearbeiten ist und als Ergebnis eine mehrseitige Dokumentation hat. Klar, die Kontrolle dabei fällt ungleich schwieriger aus. Aber es ist besser, weil es den Streßfaktor reduziert. Ok, es sollten nicht gleich alle Hausarbeiten in der gleichen Woche zu bearbeiten sein. Durch sie ist es aber leichter zu überprüfen ob das Thema verstanden wurde. Außerdem wird dadurch die Fähigkeit zum Umgang mit Office-Software und dem Verfassen von Texten geschult. Hausarbeiten sind gut für das Verstehen von Themen, für das Anwenden von Wissen und für die Befriedigung der Neugier.
Abrupt beendet. War schon spät und mir ist nichts mehr eingefallen.