Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit @KapuzenAuf auf Twitter. Es ging um meinen Begriff der Misanthropie, da ich ja augenscheinlich Menschen mögen würde. Vor diesem kurzen Gespräch hatte ich mir keine ausführlichen Gedanken zu dieser Thematik gemacht. Nach dem Gespräch, bzw. im Laufe dessen, habe ich beschlossen, das zu ändern und deswegen jetzt dieser Blogpost. Als erstes gehe ich auf den allgemeinen Begriff „Misanthropie“ ein. Danach dann darauf, was mein Begriff des selbigen ist und schließlich, was ich daraus folgere.
Der Begriff und wofür er steht
Misanthropie, die
Wortart: Substantiv, feminin
Gebrauch: bildungssprachlich
Bedeutung: Menschenhass
Aussprache: Misanthropie
Herkunft: Aus dem griechischen von misanthrōpía
Quelle: Duden.de[2]
In der deutschen Wikipedia wird Misanthropie[3] in der Herkunft als Symbiose aus den griechischen Wörter misein (= hassen) und anthrōpos (= Mensch) gebildet. Der Artikel beschreibt den Begriff als den Name für eine Geisteshaltung, in welcher die Menschheit verachtet wird. Bei Misanthropie handelt es sich laut dem Artikel nicht um eine Handlungsweise, wie z.B. bei Altruismus.
In einem Text von BONNINSKI[4] wird „der Misanthrop“ als eine Person beschrieben, welche von sich selbst das Bild des verkannten Genies hat und dem Perfektionismus[5] verfallen zu sein scheint. Außerdem heißt es dort, ein_e Misanthrop_in ist kein_e Trendsetter_in und betrachtet die Dinge mit mehr Abstand. Als „bester Freund“ wird dort der Sarkasmus[6] genannt, als „schlimmster Albtraum“ zum einen das Scheitern am Selbstbild und „drei Wochen Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff“.
Auf meiner Suche nach Definitionen oder einfach Texten über Misanthropie bin ich auf eine handvoll, meiner Meinung nach, brauchbaren Seiten/Blogs gelandet. Eigentlich alle beschäftigen sich weniger damit, was der Begriff „Misanthropie“ bedeutet als viel mehr damit, was daraus folgt. Für alle ist klar „Misanthropie ist der Menschenhass, die Verachtung der Menschheit“. Dementsprechend werden auch Personen und Ereignisse damit asoziiert. In erster Linie beschreiben viele Texte Situationen in denen andere Menschen ganz einfach als unangenehm wahrgenommen werden. Lautes Verhalten im öffentlichen Leben, egoistisches oder rücksichtsloses Handeln in öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei meiner simplen Google-Suche habe ich nicht alle Ergebnissseiten durchgeguckt. Nach 30 Seiten kommt, meiner Erfahrung nach, nicht mehr wirklich viel brauchbares. Zumal der gleiche Begriff auch im französischen Existiert und somit auch einige französische Texte in der Liste aufgetaucht sind. Leider kann ich auf französisch bisher nur juristisch korrekt die Aussage verweigern. Alle von mir gefundenen Texte spiegeln, in meinen Augen, eher eine Art „situationistische Misanthropie“ wieder. Dennoch fand ich es sehr interessant, die Texte zu lesen. Sie sind von mir unterhalb der Quellen am Ende des Blogpost verlinkt.
Bei meiner Suche bin ich auch, wahrscheinlich unweigerlich, auf Arthur Schopenhauer und seine Parabel „Die Stachelschweine“[6] gestoßen. Dabei handelt es sich um einen kurzen Text aus seinem Werk Parerga und Paralipomena. Darin schreibt er von einer Gruppe Stachelschweine, welche sich an einem kalten Tag gegenseitig Wärmen wollen. Nachdem sie sich eng zusammengedrängt haben, fangen ihre Stacheln aber an sie wieder auseinder zu bringen, weil sie sich gegenseitig stechen. Er vergleicht das mit der menschlichen Gesellschaft, in der die Menschen die gegenseitige Nähe suchen, sich aber aufgrund ihrer „Stacheln“(Eigenheiten und Marroten etc.) wieder voneinander entfernen. Später werde ich nochmal speziel auf diese Parabel eingehen und eine eigene Interpretation beschreiben.
Neben der Google-Suche habe ich aber auch direkt nach Zitaten gesucht. Zum einen auf zitate.net und zum anderen in Filmen, die ich kenne.
»Ich bevorzuge die Stille hier. Ich bin der Erde überdrüssig, der Menschen, des Gewirr’s ihrer Leben in dem ich mich verfange.«
»Meiner Meinung nach ist die Existenz von Leben ein höchst überschätztes Phänomen. Du musst dich nur hier umsehen. Der Mars kommt prächtig zurecht, ohne einen einzigen Mikroorganismus. Hier ist die Landschaft ständig im Wandel. Sie bewegt sich, und formt sich immer wieder neu um diesen Pol herum, in Wellen die 10.000 Jahre fließen. Würdest du sagen, dass sich das alles wesentlich verbesser’n ließe durch ein Einkaufszentrum oder eine Ölpipeline?!«
Dr. Manhatten in Watchmen – Die Wächter
»Alles nur eine Fassade der Höflichkeit, die den wahren Grund verdeckt. Das liegt in der Natur unserer Welt, oder? […] Zivilisation ist reine Illusion. Ein Spiel in dem man so tut, als ob. Wahr ist allerdings, dass wir noch immer Tiere sind, getrieben von unseren primitiven Instikten. […] Ich sage damit nur, dass die Zivilisation immer dann brökelt, wenn man sie am meisten braucht. Unter gewissen Umständen sind wir Menschen alle der schlimmsten Verbrechen fähig. Können Sie sich eine Welt vorstellen, wo das anders ist? Wo nicht jede Krise zu neuen Abscheulichkeiten führt? Wo nicht überall in den Zeitungen nur von Krieg und Gewalt die Rede ist? Nein, dann müsste man nämlich eine Welt erschaffen, in der die Menschheit nicht menschlich ist.«
Der russische Botschafter in Invasion
»Librianer, im Herzen der Menschheit existiert eine Krankheit.
Ihr Symptom ist Hass.
Ihr Symptom ist Zorn.
Ihr Symptom ist Wut.
Ihr Symptom ist Krieg.
Diese Krankheit ist die menschliche Emotion.«
»Das tut mir Leid!« – »Das tut es nicht. Du weißt nicht einmal, was das bedeutet. Es ist nur ein redundantes Wort für ein Gefühl, das du nicht hast.«
»Ich möchte Sie etwas fragen. Wieso sind Sie am Leben?« – »Ich lebe, weil ich den Fortbestand dieser Gesellschaft sichern möchte.« – »Ein Kreislauf. Sie existieren um Ihre Existenz fortzuführen. Worin liegt da der Sinn?«
Equilibrium
»Manchmal wird es langweilig, weil ihr immer wieder die gleichen dummen Fehler macht.«
John Oldman in The Man From Earth
»Ich glaube, dass die wachsende Fähigkeit des Menschen, sich Erkenntnisse zu verschaffen, nicht unbedingt seine Dummheit verringert. Seine Emotionen werden es stehts beherrschen. Sie bestimmen seine kriegerische Einstellung, die alles um sich herum bekämpft. Sogar sich selbst.«
Dr. Zaius in Planet der Affen(Original von 1968)
»Jedweder Art von Säuger auf diesem Planeten entwickelt instinktiv ein natürliches Gleichgewicht mit seiner Umgebung. Ihr Menschen aber tut dies nicht. Ihr zieht in ein bestimmtes Gebiet und vermehrt euch und vermehrt euch, bis alle natürlichen Resourcen erschöpft sind. Und der einzige Weg zu überleben, ist die Ausbreitung auf ein anderes Gebiet. Es gibt noch einen Organismus auf diesem Planeten, der genauso verfährt. Wissen Sie, welcher?! Das Virus! Der Mensch ist eine Krankheit. Das Geschwür dieses Planeten. Ihr seid wie die Pest.«
Agent Smith in Matrix
Mit diesen Zitaten möchte ich dann nahtlos darin übergehen, was mein Begriff von Misanthropie ist.
Für mich bedeutet Misanthropie zwar Menschenhass und die Ablehnung der Menschheit im Allgemeinen, jedoch definiere ich „Menschheit“ nicht im naturwissenschaftlichen Sinne. Gewiss, wenn von „Menschheit“ die Rede ist, meine auch ich die biologische Spezies „Mensch“. Wenn es aber um die Ablehnung der Menschheit geht, spreche ich von einem künstlichen Konstrukt, gemacht von der Menschheit selbst, ähnlich wie das künstlische Konstrukt der Gesellschaft. Beides ist vom Menschen gemacht und hat sich über unzählige Jahre hinweg entwickelt. Diese Konstrukte sind längst zu etwas geworden, was so gewaltig ist, das es alle Menschen in sich einschließt. Das Wesen des Menschen, welches in Verbindung mit anderen Menschen das Wesen der Menschheit bildet, ist vom Menschen gemacht und kann somit auch vom Menschen verändert oder zerstört werden. Die Grundannahme, dass dieses Wesen, dieses Konstrukt, schlecht und böse ist, ist meines Erachtens die einzige Möglichkeit sich selbst in die Lage zu versetzen dagegen anzugehen. Vor zwei Jahren oder so überlegte ich, wie eine basisdemokratische Struktur aussehen könnte. Dabei kam mir folgender Satz in den Kopf: Ein System kann niemals mit den vom System gegebenen Richtlinien und Ordnungen geändert werden. Daraus folgernd muss etwas bestehendes zuerst zerstört werden, bevor etwas neues entstehen kann. In der Regel baut etwas neues auf etwas bestehendem auf. Dadurch werden Dinge aus dem bereits bestehenden in das neue übernommen. In vielen Fällen, vorallem in der Technik, ist das äußerst Hilfreich, weil das Rad nicht ständig neu erfunden werden muss. Im Falle der Menschheit würde das allerdings bedeuten, dass die bisherige schlechte Menschheit in der neuen weiter existieren würde. Sie würde sich irgendwann zwangsläufig bahn brechen und die neue Menschheit wieder vergiften. Wird also eine neue Welt angestrebt, muss die Menschheit zerstört werden. Dabei muss es nicht zu Mord und Gewalt kommen. Nein, warum denn?! Es muss lediglich verhindert werden, dass Werte und Normen aus der alten Welt in die neue übertragen werden. Wie das zu schaffen ist, möchte ich an dieser Stelle offen lassen. Erwähnenswert ist aber: Ich will nicht in meiner Utopie leben! Dafür gibt es zwei rationale Gründe:
- Ich kann nicht in ihr Leben, weil sie das Ziel ist welches ich anstrebe.
- Wenn ich in ihr lebe, kann es nicht meine Utopie sein, weil ich Teil des alten, der schlechten Menschheit bin.
»Ein Mensch, der für nichts zu sterben gewillt ist, verdient nicht zu leben.«
Martin Luther King
Dieses Zitat spiegelt, finde ich, einen Kernpunkt des menschlichen Daseins wieder. Die heutige Menschheit, zumindest jene in der entwickelten Welt, existiert vor sich hin. Die Menschen folgen einer Routine, die ihnen von der Gesellschaft aufgedrückt wird. „Du musst zur Schule/Arbeit!“ oder „Du musst dich an die Gesetze halten!“. Muss man das? Ich sage nein. Warum sollte ich das? Als ein Lebewesen, welches in der Lage ist zu denken und zu handeln, bin ich gewiss zu grausamen Handlungen fähig. Aber ich bin auch zu guten Taten in der Lage. Und wäre die Schwarmdummheit nicht so entsetzlich monströs und massiv, würde ich das auch viel öfter tun. Jetzt kommen wir ein bischen dazu, was mich persönlich dazu verleitet, mich als Menschenhasser zu bezeichnen. Denn es sind nicht die großen Beispiele der Geschichte, wie z.B. die Kriege aller Epochen, sondern es sind die jeden Tag stattfindenden kleinen und großen Dummheiten, die von der Menschheit im gesamten wie auch von dem Menschen im kleinen vollbracht werden. Es fängt an beim alltäglichen Umgang mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit. Es wird nicht aufeinander geachtet. Alle sind davon getrieben, ihr Ziel zu erreichen. Gleichgültig, ob es andere Menschen betrifft. Ein sehr gutes Beispiel bietet dabei der ÖPNV. Wenn ein Bus an einer Haltestelle hält und sich die Türen öffnen ist das erste was passiert, dass Menschen von draußen einsteigen wollen. Dabei wollen auch Menschen von drinnen aussteigen. Dieser Interessenskonflikt führt regelmäßig dazu, dass man sich durch eine Masse von Zombies quetschen muss. Gleiches auch in Eingangsbereichen von z.B. Kaufhäusern oder ähnlichem. Auch sehr nervend finde ich, wenn Menschen mitten auf dem Gehweg oder in der Fußgängerzone plötzlich stehen bleiben und somit nicht nur Menschen hinter sich ausbremsen, sondern auch noch Kollisionen zwischen Menschen provozieren. Außerdem gibt es auch noch etwas, das nenne ich einfach „institutionelle Dummheit“. Damit meine ich die Tatsache, dass Institutionen den Menschen gewisse Dinge nicht zutrauen. Wer weiß z.B. das Reinungsmittel aller Art aufs äußerste Verdünnt sind?! Waschpulver z.B. besteht fast ausschließlich aus wirkungslosen Streckmitteln. Einfach, weil den Menschen nicht zugetraut wird, einfach mal weniger von dem Zeug in die Waschmaschine zu kippen. Genau bestimmte Anweisungen in der Öffentlichkeit. Comics in denen Erklärt wird, wie man eine Tür öffnet oder Erinnerungsschilder, man soll auf der Rolltreppe rechts stehen damit links Menschen die es eilig haben vorbei können. Die Welt ist voller Bevormundung. Die Menschheit hält sich selbst klein. Dabei will ich nicht einmal von Erfindungen wie Waffen sprechen. Diese sind für mich nur die Spitze des Eisberges. Wo der Mensch sich nicht mehr mit Worten zu helfen weiß, wird eben Gewalt eingesetzt. Waffen sind dabei nur die logische Weiterentwicklung der menschlichen Faust. Und all das lehne ich ab und verachte es. Ich bin der festen Überzeugung, würde man dieses Konstrukt der Menschheit zerstören, könnte man etwas verdammt viel besseres aufbauen.
Bewusst spreche ich von „der Menschheit“ als Verallgemeinerung. Eben, weil ein jeder Mensch teil derselbigen ist und somit tendenziel zu exakt den selben Handlungen fähig ist wie ein anderer Mensch auch. Dabei ist es unerheblich, welche moralischen Grundsätze ein einzelner Mensch das eigen nennt. Also stelle ich die These auf, dass selbst Mahatma Ghandi in der Lage wäre, einen anderen Menschen mit seinen eigenen Händen zu erdrosseln. Einfach, weil es die gemachte Natur des Menschen ist. Es ist eine Art der Autopoiesis[7]. Damit ist ein sich selbst erhaltendes System gemeint.
Zum Thema „mögen“ und Freund_innenschaft
Von @KapuzenAuf wurde mir unterstellt zu lügen, als ich schrieb, dass ich keine Menschen mag. Als Begründen wurde angeführt, das @KapuzenAuf ein Mensch sei und sich von mir gemocht fühlt. Kurz gesagt: Ich kann beides! Ich kann die Menschheit und Menschen nicht-mögen, aber trotzdem Menschen mögen. Man könnte es als eine Art der Hassliebe bezeichnen. Die Gründe, warum ich Menschen mag sind recht wenige. In der Hauptsache wäre zu nennen „Sie nerven mich nicht ständig“. Noch dazu wähle ich doch recht genau aus, wen ich mag und wen eben nicht. Oft habe ich das Gefühl, mein Begriff von Freund_innenschaft ist ein viel tiefgreifender als bei denen, die ich meine Freund_innen nenne. Für mich ist es wichtig, dass mir potenzielle Freund_innen nicht so vorkommen wie dumme Schafe. Um es mal drastisch auszudrücken. Das hat in erster Linie, wegen dem Halo-Effekt[8] viel mehr etwas mit mir zu tun als mit dem Menschen. Dennoch hat sich das bisher als recht effektiv erwiesen. Aber nur, weil ich jemanden nicht als „dummes Schaf“ empfinden, macht das noch keine Freund_innenschaft. Es geht auch darum, ob es angenehm ist, mit einem Menschen zusammen zu sein. Dabei ist es bei mir häufig der Fall, dass mich Menschen schlicht anekeln durch ihre bloße Anwesenheit. Geben diese dann auch noch Dinge von sich, bei denen ich mich frage ob dieser Mensch jemals darüber nachgedacht hat, warum etwas so ist wie es ist, bin ich fast schon über alle Berge. Was mir auch schon gesagt wurde ist, dass ich sehr oft nach meiner eigenen Logik als nach meinem Gefühl vorgehe. Das stimmt auch soweit. Und in meiner Logik ist es eben nicht logisch, zwangsweise mit Menschen zusammen zu sein, gleichgültig ob ich diese tolerieren kann oder nicht. Es gefällt mir also, mich mit denkenden Menschen zu Unterhalten. Es gefällt mir aber nicht, diesen Menschen ständig nah zu sein. Mir ist es übrigens schon passiert, dass ich mit anderen Misanthropen nicht ausgekommen bin. Denn ich brauche keinen Menschen, der mir oft zustimmt oder dem ich oft zustimme. Das ist langweilig und das finde ich zum kotzen. Zudem finde ich geradzu widerlich, wie die meisten Menschen sich (in meiner Wahrnehmung) zum Thema „Freund_innenschaft“ verhalten. In erster Linie scheint es nur noch Zweckfreund_innen zu geben. Menschen, mit denen man eben nur deswegen eine Freund_innenschaft eingegangen ist und pflegt, weil man sonst (in einer Gruppe) alleine wäre. Es ist das eine, wenn man sich in einem Sportverein gut mit den Leuten versteht und deswegen mit ihnen auch mal außerhalb des Vereinslebens etwas unternimmt. Das andere, viel schlimmere, ist, das man mittlerweile in so vielen Zusammenhängen verkehrt, das man nur noch Zweckfreund_innen hat, mit denen man sehr schnell keinen Kontakt mehr hat sobalt man aus diesem Zusammenhang verschwunden ist. Fangfrage: Mit wievielen Schul-Freund_innen, mit denen du noch deinen Schulabschluss gefeiert o.ä. hast, hast du heute noch Kontakt? Und mit wievielen von denen unternimmst du noch etwas? Mit „Kontakt“ ist übrigens keine Facebook-„Freund_innenschaft“ gemeint. Was ich sagen will, ist, das Menschen kommen und gehen. Aber welchen Sinn hat es denn dann, mit ihnen etwas zu tun zu haben?
Nochmal zum Thema „mögen“
Sehr oft ist es so, dass ich Menschen weder „mag“ noch „nicht-mag“. Ich toleriere sie und finde Unterhaltungen oder Unternehmungen mit ihnen angenehm. Zu einem gewissen Grad, versteht sich.
Meine Ablehnung der Menschen…
…führte auch dazu, dass ich soziale Ereignisse komplett aus meinem Leben gestrichen habe. Zum einen feiere ich keine Geburtstage und gratuliere auch niemanden dazu. Weder meinen Freund_innen noch meiner Verwandtschaft. Weihnachten feier ich auch nicht, Sylvester verbringe ich am liebsten entspannt mit ausgewählten Menschen oder allein. Ich habe eine größere Abneigung gegenüber Menschenmassen oder einfach generell gedrängten Menschen. Es passierte mir schon, das ich kurz vor eine Panikattacke stand, weil ich mit 2 anderen Menschen in einem Aufzug fuhr. Wenn ich unterwegs bin, gibt es für mich nichts wichtigeres als möglichst schnell ans Ziel zu kommen und sovielen Menschen wie Möglich aus dem Weg zu gehn. Wenn mir der Zug oder der Bus zu voll ist, warte ich auf den nächsten oder laufe. Musik höre ich dann am liebsten so laut über Kopfhörer, das ich niemand anderen hören muss. Wenn ich draußen rumlaufe, versuche ich immer möglichst unangenehm auszusehen, damit niemand auf die Idee kommt, mich anzusprechen. Ich vermeide es aktiv, Menschen zu berühren. Ob nun in der Bahn oder bei Freund_innen. Diese Umarmung zur Begrüßung konnte ich zum Glück den meisten meiner Freund_innen abgewöhnen. Bei denen, die trotzdem darauf bestehen, habe ich mich daran gewöhnt und lasse es einfach 1-2sec über mich ergehen. Meine Lieblingsjahreszeit ist der Winter, weil dann die Menschen nicht so viel schwitzen und somit nicht so viel stinken. Außerdem kann ich dann, die kälte genießend, draußen rumlaufen und die dicke Kleidung beugt Körperkontakt vor. Dabei laufe ich gerne leicht bekleidet auch durch den tiefsten Winter, weil die Kälte die Nerven ein wenig beteubt. Ich mag auch keine Parties, weil dort viel zu viele Menschen sind. Auch private Parties, wo weniger Menschen sind, mag ich oft nicht. Ich unterhalte mich gerne mit Menschen. Eine Party ist nicht zum Unterhalten da, sondern zum Tanzen oder Alkohol trinken oder sonst was. Auch will ich nicht, um mich zu unterhalten, jemand anderen ins Ohr brüllen müssen, weil die Musik so laut ist. Am liebsten sitze ich mit, meiner Definition nach, netten Menschen auf einer Couchgruppe oder so etwas und unterhalte mich über irgendetwas nicht-stumpfsinniges.
Flausch <3...
…finde ich Ekelhaft. Es widert mich teilweise regelrecht an, wie sich Menschen exzessiv gegenseitig Kuscheln, sich Herzchen schicken oder ständig alles verniedlichen. Ich hasse es auch, anderen Menschen gegenüber meine Gefühle zu zeigen. Deswegen lehne ich es auch ab, mit einem anderen Menschen (sollte es mal soweit kommen) händchen-haltend oder mehr durch die Straßen zu laufen oder vor Freund_innen aufzutreten. Es entbehrt für mich jedem Sinn, so etwas zu tun oder Menschen zu versuchen mit „Hey, ich hab dich doch lieb. Das wird schon wieder!“ aufzubauen. Zwar belüge ich Menschen, manchmal sogar ziemlich übel, aber nicht jemanden, den ich leiden kann. Noch dazu finde ich es äußerst problematisch einfach irgendjemand ungefragt mit „<3" zu überschütten oder so. Ich für meinen Teil, will das einfach nicht. Ich will nicht, das irgendwelche (un)bekannten Menschen mir sagen, sie würden mich gern oder lieb haben. Zum einen, weil ich Menschen grundsätzlich erstmal nichts glaube was mit Gefühlen zu tun hat. Zum anderen, weil ich dann gesellschaftliche gezwungen bin, auf irgendeine Weise darauf zu reagieren. Erwidere ich die Erklärung, würde ich (meistens) lügen. Sage ich nichts oder lehne ich ab, verletzte ich diese Person (meistens). Beides nichts was ich einem Menschen, den ich leiden kann, entgegen bringen möchte.
Die Masse…
…all dieser von mir bis jetzt aufgezählten Dinge ist der Grund, weswegen ich mich als Misanthrop sehe. Am liebsten sehe ich mir Filme an, die eine Distopie darstellen in der die Menschheit am Rande der Auslöschung steht oder so etwas. Leider gibt es dabei immer wieder ein Happy-End. Der Film „The Last Man On Earth“ oder das Remake „I Am Legend“ wären so gute Filme, gäbe es da nicht diese Wendung die am Ende doch noch zu einer, zumindest angedeuteten, Rettung der Menschheit führt. Ebenso „The Last Seven“(nicht das Remake, das ist scheiße) oder „The Quiet Earth“, „The Road“, „Downstream – Endzeit 2013“. Lediglich „Carrier“ und „The Divide“ hatten ein nettes Ende, weil die Situation auf die Rettung der Menschheit zumindest als äußerst unwahrscheinlich dargestellt wurde.
Schopenhauers „Die Stachelschweine“
Ich hatte ja gesagt, das ich mich dieser Parabel nochmal widmen werde. Das werde ich an dieser Stelle tun.
Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Wintertage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so daß sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.
So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu:keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.
Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg,
um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.
Die Stachelschweine versinnbildichen die Menschen. Die Stacheln die Eigenheiten und Charakterzüge derselben. Wenn sich nun also die Stachelschweine bei dem Versuch sich gegenseitig zu wärmen gegenseitig stechen, ist damit der Umgang der Menschen miteinander gemeint. Tendenziel „sticht“ ein Mensch einen anderen eher als irgendetwas anderes. Menschen können sich nicht einfach verständigen, selbst wenn sie in der Lage sein sollten, sinnvoll zu kommunizieren. Das führt zwangsläufig dazu, das sich die Menschen (un)bewusst gegenseitig verletzen oder, wie in meinem Fall, anwidern. Denn genau wie ein Stachelschwein seine eigenen Stacheln selbst nicht spürt, empfinden Menschen ihre eigenen Eigenheiten nicht als störend. Am Ende spricht Schopenhauer davon, das diejenigen, die sich selbst wärmen können, das auch tun. Das wäre dann die letzte Konsequenz der Misanthropie: Das Leben als Einsiedler_in. Denn wer allein sein kann und wen andere Menschen nur stören, wird natürlich keinen Grund dafür haben, in deren Gesellschaft weiter zu verweilen (Sachzwänge mal ausgenommen). Schopenhauer spricht auch davon, das die Stachelschweine eine Entfernung gefunden haben, in der sie sich nicht stechen aber wo es noch warm genug ist. In bezug auf die Menschheit sehe ich die Sache so, das es bisher nicht gelungen ist eine angenehme Distanz zu finden. Und ich denke auch nicht, dass das nochmal passiert.
He wishes for the Cloths of Heaven
Had I the heavens‘ embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half-light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
by William Butler Yeats
Dieses kurze Gedicht von Yeats finde ich sehr interessant, weil es auf der einen Seite die Verletzlichkeit eines Menschen thematisiert und zum anderen seine Hoffnung, nicht von anderen verletzt zu werden. Seine Träume vor anderen auszubreiten und ihnen zu erlauben, auf diesen zu gehen, setzt ein Vertrauen voraus. Aber keines das auf Gegenseitigkeit beruht. Es ist ein Vorschuss an den anderen Menschen mit der Hoffnung, dieser wird die Träume genauso vorsichtig wie man selbst behandeln. Das Wort „tread“ bedeutet übersetzt soviel wie „Auftritt“ oder „Trittfläche“. Betrachtet man dieses eine Wort und ersetzt es durch ähnliche, wie z.B. „treat“, was soviel wie „Vergnügen“ bedeutet, oder „threat“, was soviel wie „Bedrohung“ oder „Drohung“ bedeutet, lässt sich diese letzte Zeile „Tread softly because you tread in my dreams“ in zweierlei Licht betrachten. Zum einen, als die Hoffnung, dass der andere Mensch die eigenen Träume sanft behandelt und äußerst vorsichtig ist. Zum anderen, die Furcht, dass der andere Mensch die Träume schlicht weg zertritt. Wahrscheinlich hat jede_r die Hoffnung oder den Wunsch, das die eigenen Träume von anderen vorsichtig behandelt werden. Die Menschheit zeigt aber immer wieder, das Menschen äußerst gerne Dinge fordern ohne sie selbst zu geben. Was dazu führt, das Menschen nicht einfach auf den Träumen anderer Menschen herumtrampeln, sondern auch einfach auf den Menschen selbst.
Schlussendlich betrachtet…
…gibt es eigentlich keinen Grund, diese Menschheit zu erhalten. Das allerdings soll auch kein Grund sein, nichts gutes zu tun. Ich für meinen Teil helfe unglaublich gerne anderen. Dafür verlange ich in den allermeisten Fällen nicht einmal Anerkennung oder sonst etwas. Es ist für mich ein Versuch, zumindest ein bischen anders zu sein, als es die Menschheit ist. In manchen Fällen ist es auch einfach eine Form meine Wertschätzung für einen bestimmten Menschen zu zeigen.
Ich für meinen Teil habe von mir übrigens das Selbstbild äußerst awesome zu sein. Quasi der Maßstab der Awesomness überhaupt zu sein. Was ich awesome finde, ist awesome, weil ich awesome bin. Tendenziell trägt das meiner Misanthropie nur Brennstoff zu, schließlich kann es ja nicht sein, das ich zu einer Menschheit gehöre die nicht awesome ist obwohl ich total awesome bin. Und Trotzdem ist die Überzeugung das ich total awesome bin das einzige, was mich häufig davon abhält, komplett verrückt zu werden. Ende Februar z.B. habe ich meinen Twitter-Acc deaktiviert. Ein paar Leuten ist das Aufgefallen. Was diesen Leuten allerdings nicht aufgefallen ist (und das ist es eigentlich auch kaum jemanden) ist, das ich auch meinen Facebook-Acc deaktiviert hatte und auch sonst jeden Kommunikationsweg außer Post und eMail gänzlich abgeschaltet hatte. Warum habe ich das getan? Ganz einfach: Weil ich fast verrückt geworden wäre! Weil mich in diesem Moment die Menschheit so richtig abgefuckt hat. Ich bin dann zwei Woche lang durch die Gegend gelaufen ohne wirklich mit jemanden zu kommunizieren. Ich habe eine handvoll eMails bekommen und geschrieben, in meinem Alltag habe ich mich kaum mit Menschen unterhalten. In diesen zwei Wochen gab es nur mich und meine Gedanken isoliert von einem Umfeld voller Dummheit. Letztendlich bin ich ja wieder zurück gekommen, obwohl ich das am Anfang noch gar nicht wusste.
Ich habe vor etwas Zeit einen kleinen Blogpost geschrieben, mit dem Titel „74 Gründe, Misanthrop_in zu sein“[9]
»Nichts bist du, nichts ohne die ander’n. Der verbissenste Misanthrop braucht die Menschen doch, wenn auch nur, um sie zu verachten.«
Marie von Ebner-Eschenbach
Nachtrag
»Menschen sind wie Seesterne. Sie sehen langweilig aus, können nichts und haben kein Gehirn.«
Ich im Alter von 16 oder 17
[1]
[2] http://www.duden.de/rechtschreibung/Misanthropie
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Misanthropie
[4] http://www.bonninski.de/misanthropie.html
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Perfektionismus_(Psychologie)
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Stachelschweine_(Parabel)
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Autopoiesis
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Halo-Effekt
[9] http://www.freikaempfer.net/blog/?q=node/34
Nicht verwendete, aber interessante Links:
TextKrieg: Die 90er Megaparty oder Wege in die Misanthropie
Geist und Gegenwart: Misanthropie – Bin ich ein Menschenhasser?
Des Wahnsinns Blog: Misanthropie? Gerne!
Raid Rush: Misanthropie – rational oder übertrieben?
Giftblick: Moderne Phänomene 1 – Misanthropie
Evilism[DOT]com: Selektive Misanthropie
entartete-worte: Warum Misanthropie